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Scharl, Bernhard Ernst

Standpunkt: So tun als ob

Darstellendes Rollenspiel in der Elementarpädagogik

erschienen in: Musik, Spiel und Tanz 2023/04 , Seite 6

„Acting is reacting to what you see and what you hear.“ Wenn wir uns die Welt als Bühne vorstellen, so sind wir alle Schauspieler:innen, die unsere ganz persönlichen Rollen gestalten, um in den verschiedenen sozialen Kontexten Orientierung zu finden. Bereits Kinder probieren im Rollen spiel Handlungsspielräume aus, indem sie „so tun, als ob“. In diesem Beitrag werden für die elementarpädagogische Praxis neben möglichen Angeboten zum Darstellenden Rollenspiel auch Förderpotenziale aufgezeigt.

Der Duden beschreibt den Begriff „Rolle“ neben anderen Alltagsbedeutungen nicht nur als „von einer Schauspielerin oder einem Schauspieler verkörperte Gestalt“, sondern auch als eine „Stellung“ bzw. ein „erwartbares Verhalten“ innerhalb der Gesellschaft. Bestimmtes Verhalten in vordefinierten Rollen sowie gesellschaftliche Erwartungshaltungen begleiten uns ein Leben lang: in Beruf, Privatleben und Familie. Wir verkörpern, mehr oder weniger bewusst und gewollt, Rollen in unterschiedlichen sozialen Kontexten und formen so unsere Identität.
Kinder lieben es, spielerisch in Fantasiewelten einzutauchen und dabei in Rollen zu schlüpfen. Schon ab dem zweiten Lebensjahr werden einfache Tätigkeiten nachgespielt und bald auch erzählend begleitet. Ab dem vierten Lebensjahr treten Kinder verstärkt in Interaktion mit anderen, wodurch es zunehmend zu einem Aktions-Reaktions-Verhalten kommt. Im fünften Lebensjahr erreichen umfangreiche Rollenspiele ihren Höhepunkt, indem vermehrt die Lebenswelt der Erwachsenen nachgespielt, intensive Erlebnisse und Emotionen dargestellt und soziale Verhaltensweisen ausprobiert werden. Die Fähigkeit zu symbolisieren und zu imitieren, indem Situationen nachgespielt und dargestellt werden, ermöglicht Kindern unbegrenzten Zugang zur Welt. Das Rollenspiel ist aus diesem Grund im Alter von zwei bis sechs Jahren ein essenzielles Lernfeld, für das sich verschiedene pädagogische Angebote beschreiben lassen.

Pädagogische Angebote

In der elementarpädagogischen Praxis ergeben sich mit dem Rollenspiel drei grundsätzliche Angebote:
Spontanes Rollenspiel: Beim spontanen Rollenspiel geht der Impuls von den Kindern aus. Für Pädagog:innen ergeben sich sowohl Möglichkeiten der reinen Beobachtung als auch der aktiven Teilnahme, wobei der Spielfluss stets von den Kindern gelenkt wird. In beiden Fällen können von den Pädagog:innen Entwicklungsstände, besondere Interessen, Wünsche, Sorgen, Ängste und Fähigkeiten wahrgenommen werden.
Initiiertes Rollenspiel: Anders als beim freien Rollenspiel geht beim initiierten Rollenspiel der Spielimpuls von Pädagog:innen aus. Dieser kann dabei vielfältig sein: Spielmaterialien, ein Kleidungsstück, ein Requisit, eine Jahreszeit, eine Farbe oder eine Geschichte. Pädagog:innen nehmen aktiv am Spiel teil, greifen Ideen der Kinder auf und führen verschiedene Ansätze zusammen. Die Inten-tion kann dabei sowohl eine rein spielerische als auch eine bestimmte pädagogische Zielsetzung sein.
Darstellendes Rollenspiel: Plant man mit Kindern eine Aufführung, so eignet sich das darstellende Rollenspiel als Methode für den Gestaltungsprozess eines Theaterstücks. In diesem Fall werden spielerische bzw. pädagogische Aspekte um ästhetische ergänzt, wobei neben dem Prozess auch das Endergebnis in den Blick genommen werden muss. Im Sinne eines theaterpädagogischen Verständnisses von Spielleitung leitet eine Person den Prozess und ordnet die Szenen. Außerdem werden die Kinder durch Wiederholungen und Proben bei der Verinnerlichung der Handlungsabläufe und Texte unterstützt. Der persönliche ästhetische Anspruch sollte dabei den pädagogischen Intentionen angepasst werden, also „der Weg das Ziel“ sein, um der Freude am Spiel stets die notwendige Priorität einzuräumen.

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