Mayer, Hanna
Standpunkt: Das gewisse Etwas
Vielfalt in Liedern entdecken
Das Singen ist ein zentrales Element der Musikstunden und wichtiger Bestandteil in der musikpädagogischen Arbeit mit Kindern. Die Stimme ist unmittelbar mit dem Menschen verbunden und dient sowohl der Lehrkraft als auch den Gruppenmitgliedern als Instrument für musikalischen Ausdruck und Gestaltung. Gerade deshalb lohnt es sich, jenseits der bekannten Kinderlieder auf die Suche nach spannendem Liedgut zu gehen. Bei der Auswahl von Liedern gibt es vieles, was beachtet werden kann und sollte, um den Kindern musikalische Vielfalt, Variation und ein breites Liedrepertoire zu vermitteln. Eine Suche nach dem gewissen Etwas.
Die Vielfalt macht’s
Jeder Mensch trägt von Geburt an musikalische Fähigkeiten in sich. Um das eigene musikalische Potenzial bestmöglich zu entfalten, ist es notwendig, Kindern so früh wie möglich in ihrem Umfeld eine musikalische Vielfalt zu bieten. Dies geschieht im musikpädagogischen Kontext auf verschiedenen Ebenen, z. B. durch das Hören von möglichst breitgefächerter Musik, beim Erkunden von Materialien und Instrumenten hinsichtlich klanglicher Möglichkeiten und durch die Auswahl von Lied- und Musikwerken unterschiedlicher Stilistiken. Gerade Lieder regen Kinder meist an, ihre Stimme zu erproben, Klang- und Geräuschmöglichkeiten zu finden und ein Gespür für den musikalischen Einsatz ihrer Stimme zu entwickeln. Können Kinder Lieder in verschiedenen Ton- und Taktarten singen, so wird ihre gesamte Musikalität, ihr Rhythmusempfinden und ihr inneres Hören bzw. Tonempfinden gefördert. Ihr späteres musikalisches Empfinden im Musizieren und in der Beschäftigung mit Musik profitiert hiervon in besonderer Weise, weshalb eine vielfältige Liedauswahl von großer Bedeutung ist. Eine vielfältige Liedauswahl entsteht aber nicht von allein. Häufig haben Musikpädagog:innen gewisse persönliche Vorlieben für bestimmte Tonarten und melodische Gestaltungen oder greifen letztendlich zu bewährten Liedern aus der eigenen Repertoirekiste. Dies ist grundsätzlich kein Problem, ebenso wie der Einsatz bekannter Kinderlieder legitim und förderlich ist. Denn schließlich können allgemein bekannte Lieder identitätsstiftend und in Form von traditionellen Volks- und Kinderliedern generationenverbindend sein. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Auswahl von Liedern über diesen gemeinsamen Kanon hinausgehen muss und Kinder in Liedern eine musikalische Vielfalt erleben sollten, die über eine (womöglich unbewusste) Auswahl persönlicher Favoriten von Musikpädagog:innen hinausgeht. Die folgenden Ausführungen sollen Hilfestellungen geben und dazu motivieren, bei der Suche in Liederbüchern oder beim Komponieren eigener Lieder Kriterien in den Blick zu nehmen, die ein Lied besonders und ungewöhnlich machen. So kann sich jeder ein Liedrepertoire aufbauen, das möglichst vielfältig ist und die Kinder stimmlich wie musikalisch in unterschiedlichen Bereichen zum Ausprobieren und Differenzieren anregt.