© Alexa Riemann

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Plank-Baldauf, Christiane

Standpunkt: Bildungsprozesse im Musiktheater

Freies Spiel, Experimentieren und Forschen mit Kindern

erschienen in: Musik, Spiel und Tanz 2023/01 , Seite 6

Musiktheater für junges Publikum ermöglicht Kindern Erfahrungen mit allen Sinnen. Ein gemeinsamer Theaterbesuch von Erzieher:innen und Kindern zeigt die Möglichkeiten, wie durch das Erforschen von (Klang-)Materialien ästhetische Erfahrungsprozesse angestoßen werden. Dieses spielerische Experimentieren kann Kinder dazu anregen, alltägliche Dinge und Handlungen neu zu sehen und darüber ihr Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit von Welt zu fördern.

Kreise – Einblick in das Stück

Ein Vormittag im Foyer des Helios Theaters Hamm. Das junge Publikum sitzt zusammen mit den Erzieher:innen in einem großen Kreis und verfolgt interessiert die Aktionen eines Performers: Langsam lässt er aus einem Eimer Sand auf den Boden rieseln, den er mit seinen Händen und tiefem Pusten zu einem großen Kreis in der Mitte des Publikums ausweitet. Anschließend lässt er noch fünf weitere Sandkreise entstehen. Seine Konzentration auf das eigene Tun überträgt sich auf die jungen Zuschauer:innen und lässt sie den alltäglichen Ort um sie herum vergessen. Gleichzeitig werden das zentrale Erzählmotiv (Kreis) sowie das bestimmende Material (Sand) der nun folgenden Aufführung von Kreise, ein Stück für Menschen ab zwei Jahren, vorgestellt. Nach dieser einstimmenden Eröffnung setzt sich das Spiel im Theaterraum fort. Ein Pendel löst eine Kreisbewegung aus, weitere Pendel folgen. Untermalt von Live-Klängen wird die Fantasie der Kinder angeregt, mit dem (Klang-)Geschehen Bilder und eigene Assoziationen zu verbinden. Das zentrale Erzählmotiv zeigt sich darin, dass alles in Kreisen verläuft: das Leben, die Jahreszeiten, das Planetensystem. Der Performer initiiert eine neue Aktion, indem er den bereits bekannten Eimer mit Sand auf eine Kreisbahn schickt, die auf dem blauen Bühnenboden eine Sandspur ergibt. Der Radius der kreisenden Bewegung wird immer kleiner, sodass allmählich eine runde Fläche entsteht. Der Performer betritt das so entstandene „Land“ und hinterlässt erkennbare Fußspuren im Sand. Er bringt weiß modellierte Tier- und Menschenfiguren ins Spiel: Eine eigene Welt entsteht, in der Geschichten beginnen, die abschließend von den Kindern im Theaterraum weitergespielt werden können, indem sie selbst die Spielfläche betreten und die Geschichte ausgestalten.

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