© Nike Böhm

Läubin, Elisa

Standpunkt: Singen statt sprechen

Singendes Erzählen schafft eine ganz besondere Atmosphäre

erschienen in: Musik, Spiel und Tanz 2018/01 , Seite 06

Wenn auch Sie finden, dass im Unterricht und im Kita-­Alltag viel zu viel gesprochen wird, versuchen Sie es doch einmal mit gesungener Kommunikation! Schalten Sie um vom Sprechen auf’s Singen – und Sie werden feststellen, dass das singende Erzählen Aufmerksamkeit und eine ganz besondere Atmosphäre schafft – und die Kinder ­näher zur Musik bringt.

Ausgangsüberlegungen
Dass sich das Singen und Musizieren in vielerlei Hinsicht positiv auf den Menschen und seine Entwicklung auswirkt, ist längst wissenschaftlich bewiesen. Neben dem Effekt, dass Singen glücklich machen kann, fördert es die Musikalität, die Sprachentwicklung der Kinder, die Konzentrationsfähigkeit im Allgemeinen und bezüglich des gemeinsamen Singens ganz grund­legend auch soziale Kompetenzen.
Das erzählende oder auch spontane Singen spielt in den Anfängen des kindlichen Singens eine wichtige Rolle und ist bei vielen Kleinkindern zu beobachten. Dazu zählt sowohl das Erfinden von Melodien, als auch das fantasievolle Ausschmücken von bekannten Texten – das Fabulieren – und natürlich das beschreibende Singen: Dinge, die in diesem Moment erlebt werden, werden direkt vokal geäußert. Das Variieren, Imitieren und Experimentieren von Lauten spielt schon in der ersten Lautgestaltung eine grundlegende Rolle.
Warum also nicht die von Beginn an bestehenden Strukturen verstärkt auch im Singen wieder aufgreifen? Kinder können so viel mehr, als die eingeübten Lieder wiederzugeben.

Die Lehrperson als Vorbild
Einfach drauflossingen oder sich singend unterhalten, wann haben Sie das selbst zum letzten Mal ausprobiert? Bei uns, bei den Lehrpersonen fängt es an. Wir sind die InitiatorInnen dafür, dass das „singende Erzählen“, das „erzählende Singen“ oder das „improvisierte Singen aus dem Moment heraus“ auch verstärkt im Unterricht der Elementaren Musikpraxis oder im Alltagsgeschehen in der Kita stattfindet.
Erst wenn wir selbst Freude am Spiel mit unserer ­eigenen Stimme haben, können wir für die Kinder ­Gelegenheiten schaffen, die ihre zu erforschen, kennenzulernen und einzubringen. Somit kann sich schon in den frühen Jahren ein spielerischer, freier und vor allem gesunder Umgang mit der eigenen Singstimme entfalten.
All dies setzt jedoch eine sehr wesentliche und unumgängliche Grundlage voraus: den bewertungsfreien Raum, in dem alle noch so ungewöhnlichen und unerwarteten musikalischen Phrasen ihre Anerkennung bekommen (siehe Kasten). Das singende Erzählen hat viel mit Mut und Vertrauen zu tun, zu sich selbst und zu der Gruppe. Ebenso sind auch die Motivation und der Ansporn in Form von motivierenden Spielformen wichtige Werkzeuge, die dazu beitragen, dass mehr und mehr Sicherheit gewonnen werden kann.
Ein bewertungsfreier Raum zeichnet sich außerdem durch seine schützende Atmosphäre aus. Es ist wichtig, den Kindern zu zeigen, dass alle gesungenen Phrasen gut und richtig sind. Dies lässt sich beispielsweise durch ein paar aufgestellte Regeln oder klare Spielformen verdeutlichen.
Ist es gelungen diesen vertrauensvollen motivierenden Spielraum für das singende Erzählen aufzubauen und haben wir als Lehrperson unsere wachsamen ­Ohren gespitzt, kommt irgendwann der Moment, in dem die Kinder von sich aus auf uns zukommen und uns singend eine Frage stellen, uns antworten oder uns einfach etwas erzählen.

Singendes Erzählen im Alltag
An dieser Stelle soll ein Beispiel verdeutlichen, wie wichtig das eigene Vorbild ist, wie das singende Erzählen anfänglich gestaltet werden kann und wie schön der erste Moment sein kann, wenn die Bemühungen Früchte tragen.

Es handelt sich bei diesem Beispiel um eine Gruppe von zehn Kindergartenkindern im Alter von vier bis fünf Jahren. Ich unterrichtete die Kinder wöchentlich und hatte begonnen, ihre Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichste Art und Weise einzufangen. Direkt zu Beginn der Stunde holte ich die einzelnen Kinder aus ihren Gruppen ab, indem ich ihren Namen auf einer improvisierten Melodie sang.
Die zuerst etwas erstaunten oder auch schüchternen, aber sehr neugierigen Blicke – auch von den Erwachsenen – verwandelten sich schnell in freudige Erwartung. Es dauerte nicht lange, da erklang mal hier, mal da ein „ich komme“ oder ein „ja“, zuerst gesprochen und bald auf einem erkennbaren Intervall oder einem gesungenen Ton.
Diese Art, die Kinder zu begrüßen, lässt sich ebenso mit den Namenslisten umsetzen, die bei dem einen oder anderen zu Beginn der Stunde genutzt werden. Anstatt den Namen des Kindes aufzurufen, kann dieser als Frage „Hallo Ella, bist du da?“ von der Lehrperson improvisiert werden, worauf das Kind – oder auch die gesamte Gruppe – mit einer leichten Wiederholung der Melodie antwortet: „Ja, ich bin da“. Zu Beginn kann das bekannte Frage-Antwort-Spiel auf nur einem Ton gesungen werden, um dies mit der Zeit um Intervalle und später auf kleine Melodiefolgen zu erweitern.

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